Eigene Lyrik, Fotos und Bilder




Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.








18. Juni 2016

Die Möwen auf dem Kap San Antonio




 
Lass mich von den Möwen erzählen.

Auch dieses Mal traf ich sie. Ich hatte es nicht anders erwartet. Auf dem Kap, der Heimat des Windes, war ich fast sicher, sie anzutreffen.

Sie lieben den Wind von alters her.

Schon von weitem hörte ich ihr bekanntes kalkweißes Lachen. Sie erwarteten mich.

Auch ich bin ihnen vertraut, schon seit Jahren.

Schon waren sie um mich, ein Schwarm von fast hundert.

Erkennendes Lachen.

Ich lachte zurück: „Seid gegrüßt meine Freunde!“ Schwerelose Segler am abendlichen Himmel.

Zwischen den Federn Geschichten der Meere, von Freiheit und Ferne, das Salz vieler Wellen.

Sie stießen herab von den Klippen in Richtung des Meeres, in Richtung der rollenden Steine, der fliehenden Fische.

Erhaschten die Beute vom heimkehrenden Boot - auch heute fuhr dieses zum Hafen.

Und wieder: sie ließen sich tragen vom steigenden Wind zu mir auf die Klippen.

Ihr Segeln und Gleiten, das Stellen der Flügel, mal kalkweiß, dann nachtschwarz gegen den Himmel - es war nur für mich.

Ich wanderte unter ihnen ganz nah am Rande der Klippen, den Blick auf zu dem Himmel gerichtet. Sie begleiteten mich, vollführten ihr Können. Ihr Flug war bizarr gegen die sinkende Sonne.

Ich setzte mich an den Olivenbaum. An seinen Stamm, der gedreht ist von den wechselnden Winden.

Sie blieben über mir. Stießen in den dunkleren Himmel, ließen sich tragen und fallen und gleiten, drehten im Flug ihre Köpfe zu mir, bemerkten die Freude und riefen mir ihr krächzendes Lachen zu.

Kalt wurde es ohne die wärmende Sonne.

So musste ich gehen - für heute.

Ich sah sie entschwinden, hoch über dem Meer in Richtung des Berges, zum verglühenden

Licht.

 
© Annette Gonserowski

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen